Allgemeines
Ärztinnen und Ärzte brauchen heutzutage juristisches Verständnis. Durch geeignete Sensibilisierung kann sich in entscheidender Situation ein auch wirtschaftlich gravierender Vorteil ergeben. Dies lässt sich an Beispielen aufzeigen.
(vgl. Osmialowski, „Vorteil durch Sensibilisierung“, JurMeds, zuletzt aktualisiert 09.04.2020)
Arbeitsrecht
Zurzeit ist man allgemein bemüht, eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 zu vermeiden. Gleichermaßen fragen sich Ärztinnen und Ärzte, welche rechtlichen Konsequenzen es haben würde, wenn sich doch eine Infektion durch Patientenkontakt ereignet. Ein Aspekt ist die versicherungsrechtliche Frage, ob die gesetzliche Unfallversicherung greifen würde.
(vgl. Osmialowski, „COVID-19: Vermutung für Berufskrankheit“, JurMeds, 23.04.2020)
Corona: Die sogenannte „Coronakrise“ ist für alle Beteiligten weitestgehend Neuland. Das wirft viele Fragen zu zum Teil existentiellen Risiken auf. Sicherlich kann man sich darüber streiten, inwiefern in der Vergangenheit Versäumnisse geschehen sind, die eine unzureichende Wappnung des Gesundheitswesens verursacht haben. Feststeht, dass Material, Personal und Lohnhöhe für die Herausforderung nicht ausreichen könnten. Häufig stellt sich hier für Mitarbeiter im Gesundheitswesen die Frage, wie mit dem eigenen Risiko insbesondere in Anbetracht fehlender Schutzmaterialien umgegangen werden könnte.
(vgl. Osmialowski, „Coronakrise: Arbeiten ohne Schutz“, JurMeds, 09.04.2020)
Urlaub: Der Arbeitgeber muss von sich aus den Arbeitnehmer nach Urlaubswünschen fragen und den gesetzlichen Mindesturlaub (§ 3 Bundesurlaubsgesetz: pro Jahr 24 Werktage bei einer 6-Tage-Woche bzw. 20 Werktage bei einer 5-Tage-Woche) gewähren. Verfällt der Urlaub, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer gar keinen Urlaubsantrag gestellt hatte. Dies gilt aber nicht für über den Mindesturlaub hinausgehenden, im Arbeitsvertrag bzw. Tarifvertrag vereinbarten Urlaub.
(vgl. Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 07.05.2015, Az. 10 Sa 86/15)
Günstigkeitsprinzip: Wenn mehrere tarifvertragliche Regelungen anwendbar sind (zusätzlicher Verweis im Arbeitsvertrag auf weiteren Tarifvertrag), gilt die für den Arbeitnehmer allgemein günstigste Regelung (Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz = TVG). Dies kann der Arbeitnehmer unter Umständen auch nach 4 Jahren widerspruchsloser Weiterarbeit noch geltend machen.
(vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.04.2015, Az. 4 AZR 587/13)
Vertragsarztrecht
Zweigpraxis: Für die Zweigpraxisermächtigung (zurzeit § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV) ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Praxis unerheblich. Des Weiteren ist unerheblich, ob wegen vergleichsweise geringer Einwohnerzahl am Ort der Zweigpraxis ggf. lediglich relativ wenige Patienten von der Verbesserung profitieren. Es muss kein Bedarf am Ort der Zweigpraxis bestehen, die bloße Verbesserung der Versorgung reicht aus. Jedenfalls 7.500 Einwohner am Ort der Zweigpraxis liegen weit über einer denkbaren Geringfügigkeitsschwelle, sodass man nicht lediglich von einer kaum spürbaren Verbesserung ausgehen kann.
(vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.12.2015, Az. B 6 KA 37/14 R)
Wirtschaftlichkeitsprüfung: Vor einem Arzneimittelregress (Richtgrößenüberschreitung) müssen die Prüfungseinrichtungen dem Arzt eine Minderung der Regresssumme um bis zu 20% anbieten (§ 106 Abs. 5a Satz 4 SGB V). Unterbleibt ein solches Angebot, ist der Regress zumindest in dieser Höhe rechtswidrig.
(vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 15.07.2015, Az. B 6 KA 30/14 R)
Arzthaftungsrecht
Lagerung: Das Entstehen eines Dekubitus lässt sich auch durch ordnungsgemäße Lagerung nicht stets sicher vermeiden. Das Risiko ist für behandelnde Personen (Ärzte, Pflegepersonal) nicht voll beherrschbar. Der Patient muss deshalb trotz Vorliegen des Dekubitus auch die Pflichtverletzung (z.B. nicht ordnungsgemäße Lagerung) erst beweisen.
(vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 09.09.2015, Az. 3 U 60/14)
Hygiene: Der Patient muss einen Hygienemangel selbst dann beweisen (keine Beweislastumkehr), wenn zeitlich bei bis zu 10 weiteren Patienten Probleme aufgetreten sind. Ein Ausbruch von MRSA-Infektionen lässt nicht von vornherein auf einen Hygienemangel schließen. Es entspricht praktisch nicht dem Klinikalltag und der Lebenswirklichkeit, dass Infektionen durch alle möglichen denkbaren Maßnahmen vermieden werden (kein voll beherrschbares Risiko).
(vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.04.2015, Az. 26 U 125/13)
Standes- und Berufsrecht
Notfalldienst: Eine Befreiung vom Notfalldienst kann nicht einfach widerrufen werden, nur weil die Regelung, aufgrund derer die Befreiung zuvor erfolgt war, nun entfallen ist (hier: Streichung des Befreiungstatbestands „Altersgrenze“ in § 10 Abs. 1 der Notfalldienstordnung der Landeszahnärztekammer in Baden-Württemberg). Hierin besteht keine Gefährdung des öffentlichen Interesses.
(vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 01.09.2015, Az. 8 K 4124/13)
Gesellschaftsrecht
Konkurrenzschutz: Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass einem ausgeschiedenen Gesellschafter (z.B. Arzt einer BAG) grundsätzlich für nicht länger als 2 Jahre vertraglich verboten werden darf, Kunden der Gesellschaft (z.B. Patienten der BAG) zum Zwecke der Konkurrenz zu kontaktieren.
(vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.01.2015, Az. II ZR 369/13)
…und weitere aktuelle Veröffentlichungen von Fachanwalt Dr. Osmialowski sehen Sie fortlaufend hier .