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Wer kann, der muss. Immer. Oder?

Die einzige Auszubildende – 16 Jahre alt, erst seit ca. drei Wochen in der Kanzlei – hat die Grippe erwischt. Pflichtgemäß schickt sie die Krankmeldung. Und woran denkt der erfahrene Rechtsanwalt daraufhin selbstverständlich zuerst? Gehaltskürzung!

Die Gründe liegen auf der Hand: „Die Sicherung des Industriestandorts Deutschland und die Verantwortung für die Sicherung der Arbeitsplätze erfordern eine Begrenzung der Kostenbelastung! In der Sozialversicherung werden Zeiten der Nichtarbeit ja auch finanziell niedriger bewertet als Zeiten der Arbeit – dieser Gedanke kann auch auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall übertragen werden. Zudem erfordert die hohe Belastung der Arbeitgeber mit Kosten der Entgeltfortzahlung ein verstärktes Bemühen, missbräuchliches Ausnutzen zu bekämpfen. Die notwendige Existenzsicherung im Krankheitsfall wird ja nicht beeinträchtigt. Es erscheint unbillig, dem Arbeitgeber die Kosten aufzubürden, wenn ein gerade erst eingestellter Arbeitnehmer krankheitsbeding ausfällt.“ (siehe Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz = EntgFG, BT-Drucks. 13/4612 vom 10.05.1996, S. 10, 11)

Was? Die Auszubildende machte bisher einen zuverlässigen und sorgfältigen Eindruck? Es sind ihre ersten Wochen im Arbeitsleben? Sie war in diesen ersten Wochen noch etwas schüchtern? Die Kanzlei macht mit mehreren Anwälten Spitzenumsatz?

Egal – der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall „entsteht erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses“! So steht es in § 3 Abs. 3 EntgFG. Ohne Anspruch muss nicht gezahlt werden. So will es der Gesetzgeber.

Selbstverständlich kann die Angelegenheit ohne „Verstoß“ gegen § 3 Abs. 3 EntgFG auch anders beurteilt werden – oder sollte?