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Gefährliche Körperverletzung versus Kinderbetreuung. Verfahren.

Es sieht nicht gut für die Angeklagten aus – das Gericht wird wegen (versuchter) gefährlicher Körperverletzung (in zwei Fällen) zu über 4 und zu 3 Jahren Freiheitsstrafe verurteilen. Doch da! An einem der Verhandlungstage während der Vernehmung eines Zeugen: Hat nicht die eine beisitzende Richterin für einen Moment auf ihr Mobiltelefon geschaut und gedrückt? Schon wieder – sie schaut und drückt kurz auf ihr Mobiltelefon!

Das könnte man doch so verstehen, dass die Richterin sich für die gesamte Beweisaufnahme nicht ausreichend interessiert hat und zur Tat- und Schuldfrage bereits festgelegt ist. Da kann doch ein Befangenheitsantrag gestellt werden!

Was? Die Richterin hat wegen deutlich überzogener Sitzungszeit ein Problem mit der Kinderbetreuung? Sie hat einen Anruf von zuhause mit einer vorgefertigten SMS „Bin in Sitzung“ abgelehnt und eine weitere dringende SMS-Anfrage binnen Sekunden beantwortet? Erklärt und entschuldigt hat sie sich auch sofort.

Egal – sie hatte es doch „offensichtlich von vornherein darauf angelegt“: Die (zugegebenermaßen etwas einsilbige und passive) SMS „Bin in Sitzung“ hat sie doch nur vorgefertigt, um „aktiv“ (!) „in privaten Angelegenheiten“ (!) „nach außen zu kommunizieren“! „Gezielt“ hat sie sich „abgelenkt“.

Und dazu ist das Befangenheitsgesuch eine aussichtsreiche Sache: „Da es sich … nicht um ein unbedachtes Verhalten … handelt, das durch Klarstellung und Entschuldigung beseitigt werden kann“, darf es nicht abgelehnt werden (vgl. dazu Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.03.1999, Az. 5 StR 566/98).

So ist es tatsächlich aufgrund unserer Rechtsordnung anwaltlich betrieben und höchstrichterlich bestätigt worden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.06.2015, Az. 2 StR 228/14): Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen ist aufgehoben und die Verhandlung wird wiederholt – wegen einer Richterin, die sich effizient bemüht hat, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Selbstverständlich hätte die Angelegenheit im Rahmen unserer Rechtsordnung auch differenzierter geklärt werden können – oder sollen?